Was macht Reisen für Dich zu einem bereichernden Erlebnis? Was bedeutet es für Dich ganz persönlich, unterwegs zu sein? Für mich ist es als schlüpfe ich in ein neues Kleid.  Andere Teile meines Wesens atmen frei durch und haben für eine Zeit lang die Nase draußen im Wind. Alle Neugier-Schleusen sind weit geöffnet. … Aber was macht gerade Indien zu einem so besonderen Erlebnis für mich? Natürlich die Farben, das Essen und die Gerüche. Welche nicht immer nur angenehm sind… Und. Das Licht! Aber Indien ist kein Land das ich verklären möchte. Es ist dreckig hier, sehr dreckig. Und laut. Es stinkt. Menschen überall. Die Armut und das offensichtliche Leid sind überwältigend. Ehrlich gesagt ist das hier die vollkommene Attacke auf alle Sinne. Positiv wie negativ. Klar daß Yoga und Meditation ausgerechnet in Indien ihren Ursprung haben. Sonst dreht man durch. Ich jedenfalls. Aber. Ich mag das rettungslose Chaos. Und wohl gerade weil hier alles so dicht nebeneinander liegt.  Der nicht zu übersehende Mangel an Essen, Bildung und materiellen Dingen. Und gleichzeitig der immer noch tief gelebte spiritueller Reichtum. Schönheit und Verfall- hier ist mein Herz auf eine ganz einfache Weise weit. Aber was jede Reise für mich zu etwas wirklich besonderem macht, sind die Menschen denen ich unterwegs begegne. Heute möchte ich Euch vor allem von meiner Teilzeit-Familie erzählen. Den Menschen die die Welt für mich zu einer großen, ganz großen Heimat machen. Auch wenn wir oft nur wenige Minuten miteinander verbringen. Aber die Begegnungen sind es für mich, die jeden einzelnen Tag zu einem lebendigen Erlebnis werden lassen. Die Menschen sind es, die mir das Gefühl geben, auf dieser Welt ein Zuhause zu haben….

 

 

Ich fühle mich müde und verletzlich als ich endlich in meinem Hotel in Varanasi ankomme. Aber ich werde von einem Kellner mit einem warmherzigen Lächeln empfangen. Er versorgt mich mit heißem Tee und einem Curry. Als der Platz mit der schönsten Aussicht auf dem Balkon frei wird, setzt er mich sofort um. Und lächelt. Jeden Morgen ist er besorgt um mein Wohl. Und geknickt als ich abreise. Er gibt mir in den ersten Tagen ein Gefühl von Geborgenheit. … Am Ganges treffe ich jeden Tag zwei Sadhus. Heilige Männer, die ihr Leben der Spiritualität gewidmet haben. Der jüngere von beiden segnet mich. Er hat Haare, so lang daß er auf ihnen stehen könnte. Wenn er wollte. Wie sitzen einfach gemeinsam rum, schauen auf den Fluß. Ab und zu ein Satz in gebrochenem Englisch. Nicken, Lächeln, Nichtstun. Wie entspannt. Dort lerne ich auch Marco kennen, Marco Colombo. Einen jungen Schweizer, der mehrere Wochen in Varanasi ist, um hier Sitar spielen zu lernen. Er lebt davon, daß er hin und wieder ein paar Fotos verkauft. … Mittags gehe ich im Fuji-Restaurant essen. Von außen sieht es ungemütlich aus, aber mein Reiseführer steht voll drauf!  Hier gibt es leckeres Malai Kofta und der Chef empfiehlt dazu Raita und Reis mit grünem Gemüse. Ich komme mit meiner Tischnachbarin ins Gespräch. Sie ist Amerikanerin und mehrere Monate im Jahr in Indien, um hier Jotish (vedische Astrologie) zu studieren. Mit weltweiten Online-Readings kann sie sich und ihren Sohn einigermaßen ernähren. Den Rest verdient sie sich zuhause mit einer eigenen Marihuana-Farm. Das ist in Kalifornien legal. Ich kann ihr bei  ein paar frauenärztlichen Fragen helfen und wir tauschen Adressen. … Am nächsten Tag esse ich im Fuji-Restaurant Spinat mit Pilzen und freunde mich ein wenig mit dem Chef an. Es ist sein Lieblingsgericht. Wir verstehen uns so gut, daß er mit eine kleine Kostprobe seines Hobbies zum Geschenk macht… Handlesen- in Indien seit vielen Jahrhunderten eine hohe Kunst. Für mich ist das ein ganz besonderes Erlebnis. …

 

 

Ich komme in der Nähe von Dharamsala im Norbulingka-Institut unter. Selten habe ich so ein schönes Zimmer gehabt. Abends bringe ich mit der netten tibetischen Hausangestellten auch meinen Heizlüfter zum Laufen. Jetzt ist mein Zimmer nicht nur schön, sondern auch warm! Morgens werde ich von Tashi begrüßt und umsorgt. Jeden Tag geht für mich die Sonne noch einmal auf. Und mein Herz gleich mit! Tashi ist aus Tibet. Seine Mutter lebt noch dort. Gestern hat er mit ihr telefoniert. In Tibet ist es kalt. Sehr kalt. Ich kann mit Fleecejacke und Daunenweste draußen frühstücken. Es gibt es leckere Pancakes mit Joghurt. … nachmittags treffe ich eine argentinische Reisegruppe wieder. Wir waren zusammen im Flieger nach Dharamsala. Wir begrüßen uns herzlich. Die Gruppe besucht vor allem spirituelle Orte in Indien. Der Reiseleiter berichtet mir, der Dalai Lama ist gestern in Dharamsala eingetroffen. Er hat ihnen aus dem Auto heraus zugelächelt. Ich freue mich sehr mit allen. Was für ein Segen! Und sie waren in der DGL-Nunnery und hatten ein Treffen mit Tenzin Palmo. Sie hat mehrere Jahre in einer Höhle im hohen Himalaya meditiert. Wir lachen. In zwei Tagen fahre auch ich zu ihr… Den Nachmittag verbringe ich mit Moti. Einem tief gläubigen israelischen Schriftsteller, der gerade ein Buch über jüdische Spiritualität in der heutigen Gesellschaft schreibt. Klar. Wir haben uns viel zu erzählen. Und ich stelle fest, daß ich über den jüdischen Glauben eigentlich gar nichts weiß. Ich freue mich schon auf sein Buch, es wird auch auf Englisch erscheinen. …Und dann ist da noch die freundliche Engländerin, die zwei Jahre hier als Freiwillige in Norbulingka arbeitet. Sie hilft gerade in Dharamsala einen Bio-Laden aufzubauen. … Und das nette Paar aus Istanbul, das in Berlin lebt. Weil in dem türkischen Regime kein Platz mehr für sie war. Sie haben eine Künstler-Agentur und ein Platten-Label. Wir treffen uns am Tempel des Dalai Lama. Auch wir tauschen Adressen. Sie sind gerade dabei, in Indien ein Jazzfestival zu organisieren. Da möchte ich natürlich unbedingt dabei sein!

 

 

Ein paar Tage bin ich in den Bergen unterwegs. Im teuersten Hotel meiner Reise fühle ich mich unwohl. Bin der einzige Gast in einem riesigen ehemaligen Maharadschapalast. Es ist muffig hier und kalt. Der Taxifahrer verdient in 3 Tagen fast ein Monatsgehalt an mir, ich bin an diesem einsamen Ort auf ihn angewiesen… Aber die Kellner sind nett und beschützen mich heldenhaft vor den angriffslustigen Pavianen. Beim Essen auf der Terasse. Und laden mich zum Cricket- Spielen ein, was ich mit einem Lächeln dankend ablehne. Zurück in Dharamsala lerne ich Kathie und ihren Mann Tashi kennen. Beide sind seit 40 Jahren verheiratet. Tashi ist im Alter von 6 Jahren hier im tibetischen Kinderdorf aufgenommen worden. Nachdem er mit seinen Eltern aus Tibet geflohen ist. Zwei seiner Brüder sind in der Schweiz aufgewachsen. Tashi und Kathie erzählen aus ihrem sehr bewegten Leben. Und nun gesellt sich auch Moti wieder zu uns. Der israelische Schriftsteller, den ich vor ein paar Tagen kennen gelernt habe. Wir erleben zusammen eine bewegende Runde. Später spricht mich Christopher aus Österreich an, auf meine Kammera. Er studiert in Hannover Fotografie. Er arbeitet hier an einer Reportage über  junge Tibeter, die er im Rahmen seiner Abschlussarbeiten in einer Ausstellung präsentieren wird. Wir quatschen und fest. Klar, er schickt mir eine Einladung. Im Juni ist es soweit…. Moti reist am anderen morgen ab und wir hängen gemeinsam noch zwei Gebetsfahnen am Tempel des Dalai Lama auf und genießen die Stille dort…

Und noch zwei Begegnungen begleiten mich. Das Reading mit einem tibetischen Astrologen. Und mein Treffen mit Tenzin Palmo, einer ganz besonderen Frau… Mal sehen. Vielleicht, vielleicht schreibe ich auch darüber noch einen Blog….